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Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:38
von Nergal
Mittwoch, 31. Mai: Aufstehen gegen 8.30 Uhr bei bedecktem Wetter. Wenigstens ist es trocken. Am Vormittag steuere ich das Kloster von Guadalupe an, das allen gleichnamigen Orten auf der Welt seinen Namen lieh. Christoph Kolumbus holte sich 1492 vor seiner Atlantiküberquerung hier den Segen der schwarzen Madonna.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:40
von Nergal
Kreuzgang des Klosters von Guadalupe

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:41
von Nergal
Ich konsumiere eine Führung durch das weltberühmte Kloster von Guadalupe, an der rund 60 Personen teilnehmen. Da der Führer nur Spanisch spricht, verstehe ich wenig. Die Innenräume zeigen ein strenges und zugleich prachtvolles Barock. Als Höhepunkt empfinde ich drei Gemälde von El Greco (https://de.wikipedia.org/wiki/El_Greco). Da man innen nicht fotografieren darf, gibt es hier auch keine Bilder zu sehen. Am Ende der Führung übernimmt ein Mönch die Regie und geleitet die Menge zur schwarzen Madonna, von der jeder Gläubige ein Votivbildchen erhält. Ich glaube nichts, nehme aber trotzdem ein Bildchen.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:43
von Nergal
Nach der Besichtigung schaue ich mir die Klosterkirche an, deren Altar einen Eindruck vermittelt, welche Pracht den Besucher im Kloster erwartet.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:43
von Nergal
Empore mit Orgel der Kirche in Guadalupe

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:44
von Nergal
Der Platz vor dem Kloster ist mit den üblichen Restaurants und Kitschläden für die Touristen gespickt. Vergeblich suche Ich nach einem dunklen Brot und mache mich frustriert endlich davon.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:45
von Nergal
Platz vor Kloster und Kirche in Guadalupe

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:48
von Nergal
Am Nachmittag nehme ich mir Medellin (https://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn_(Spanien)) vor, den Heimatort von Hernán Cortés ([https://de.wikipedia.org/wiki/Hern%C3%A1n_Cort%C3%A9s]) vor, der den zweifelhaften Ruhm für sich in Anspruch nehmen kann, Mexiko erobert und das Aztekenreich vernichtet zu haben. Das kaum 2.000 Seelen zählende Dorf Medellin bestand bereits im Altertum; es besitzt ein römisches Theater, eine auf römischen Fundamenten ruhende Brücke und ein schönes Castillo. Nach ihm benannte Cortès einen Ort, der im Laufe der Zeit zu einer berüchtigten Millionenmetropole in Kolumbien heranwuchs. Dass mir auf dem Weg nach Medellin ein Sattelzug mit der Aufschrift „Escobar“ entgegenkommt, ist sicher reiner Zufall. Was er wohl geladen hat?

Die Gegend hier ist flach. Es dominieren Oliven- und Weinanbau, Schafzucht und – man höre und staune – Reisfelder. Ich passiere überschwemmte Ackerflächen und solche mit extrem aufgeweichten Böden. Andere sind knochentrocken. An der N 430 reiht sich Fruchtkompanie an Fruchtkompanie. Sie sind die großen Arbeitgeber hier. Der Strukturwandel ist aber unübersehbar. Die Fotovoltaik ergreift zunehmend Besitz vom Land. Überall nisten Störche, auf manchen Kirchendächern gleich im halben Dutzend.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:50
von Nergal
Die Solarindustrie bemächtigt sich der Extremadura.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:51
von Nergal
Das Castillo von Medellin ist schon von weitem sichtbar. Es dominiert den Ort.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:51
von Nergal
Cortés-Denkmal und Castillo in Medellin

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:52
von Nergal
Mein Moto muss ich am Fuße des Burgbergs parken. Dann heißt es steigen – bei knallender Sonne und 28 Grad Celsius im nicht vorhandenen Schatten.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:53
von Nergal
Das römische Theater liegt unterhalb der Burg.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:54
von Nergal
Ich passiere eine eingestürzte Mauer und stehe vor verschlossenen Türen.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:55
von Nergal
Wahrscheinlich hätte ich mich an der Tourist-Information im Ort melden müssen, um das Burginnere zu besichtigen. Aber wozu? Auch von außen kann ich erkennen, das im Inneren nur Ruinen stehen, und irgendwelche Erklärungen hätte ich auf Spanisch wohl kaum verstanden.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:56
von Nergal
Vom Burgberg aus betrachte ich noch die römische Brücke, über die noch bis vor einigen Jahren der Straßenverkehr verlief, bevor die Ortsumgehung gebaut wurde. Dann geht es in die benachbarte Stadt Don Benito.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:58
von Nergal
In Don Benito klappere ich mehrere Supermercados ab, bevor ich bei LIDL endlich ein dunkles Brot ergattere. Auf der Rückfahrt werfe ich sogar mal das Navi an. Meine Michelin-Karten, auf denen ich alle touristischen Ziele eingetragen habe, sind mittlerweile 30 Jahre alt. Seitdem gibt es neue Straßen und neue Nummerierungen. Wenigstens hat man die Ortschaften nicht verlegt! Nach 200 km Fahrt an diesem Tag komme ich gegen 18.30 Uhr wieder auf meinem Campingplatz an. Das Zelt steht in der prallen Sonne, und der Weißwein glüht. Mist!

Donnerstag, 1. Juni: Zum Frühstück gibt es gebähtes Weißbrot vom Vortag mit einer großen Portion Käse. Nach einem Schwatz mit Nachbarin Marianne nehme ich gegen Mittag Kurs auf Montánchez ([https://de.wikipedia.org/wiki/Mont%C3%A1nchez]), das als Balkon der Extremadura gilt. Auf einem knapp 1.000 m hohen Berg gelegen, bietet es einen phänomenalen Rundblick auf die Ebene, die es umgibt. Zudem krönt den Ort ein schönes Castillo aus dem 12. Jahrhundert. Ich tuckere durch ein menschenleeres Land. Mitunter hat man den Eindruck, es gäbe mehr Störche als Menschen. Die Straßen sind gleichfalls leer und gut ausgebaut, weisen aber wenig Kurven aus, was den Fahrspaß reduziert. An das Tempolimit von 90 Knoten hält sich hier keiner. Gefahren wird mit mindestens 100 km/h, gern auch mit deutlich mehr. Seit 2019, als ich das letzte Mal in Spanien weilte, hat sich die Anzahl der Radarfallen erhöht, was die Spanier nicht wirklich vom Gasgeben abhält. Man muss halt wissen, wo die Fallen stehen.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 13:59
von Nergal
Je näher ich meinem Ziel komme, umso höher türmen sich die dunklen Wolken am Himmel auf. Dass ein Gewitter kommt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Hoffentlich kann ich meine Pläne so rasch umsetzen, dass ich ungefährdet zum Campingplatz zurückfahren kann! Bald sollte sich zeigen, dass das Wetter nicht mein einziges Problem darstellen wird.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:00
von Nergal
Den Weg zum Castillo tuckere ich mit der Domi hoch. Eigentlich keine große Herausforderung. Kurz vor dem Ziel will eine Rechtskurve um 180 Grad genommen sein. In der Ideallinie stehen leider zwei Arbeiter und versperren den Weg. Ich muss das Töff an einer ungünstigen Stelle stoppen und warten, bis sich die beiden trollen. Mein rechtes Bein findet auf der abschüssigen Trasse kaum Halt, und der unebene Steinbelag behindert das Hin- und Herrollen der Maschine per Fußkraft. Der Bug der Domi ist auf eine Hausmauer gerichtet. Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera: Gebe ich zu viel Gas, demoliere ich das Vorderrad an der Mauer, gebe ich zu wenig Gas, schafft es das Hinterrad nicht über die Steinhuppel, der Motor stirbt ab und sein Rückschlag befördert das Töff in die Waagerechte. Ich entscheide mich für Variante 2 und liege schneller auf der Nase, als ich „papp“ sagen kann. Die Domi aufzurichten gelingt mir nicht. 1996, In Island, habe ich die im verspurten Tiefsand gestrandete Karre samt 50 kg Gepäck wieder in die Senkrechte gewuchtet, aber da war ich 27 Jahre jünger! Also mache ich in aller Ruhe zwei schöne Fotos und bitte dann im Haus, dessen Mauer mein Vorderrad so gnädig verschonte, um Hilfe. Die anwesende Hausfrau holt ihren Mann aus dem Castillo. Er ist einer von den beiden, die mir den Weg versperrten. Gemeinsam heben wir die Domi auf.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:02
von Nergal
Schäden sind durch den Umfaller an der Domi nicht entstanden. Lediglich der rechte Eigenbau-Koffer hat einige Beulen davongetragen, die ich nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub problemlos glätten kann. Am meisten zerbeult wurde mein Selbstbewusstsein; entsprechend vorsichtig agiere ich in den kommenden Tagen.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:03
von Nergal
Ich umrunde das Castillo, komme aber nicht hinein, was sich angesichts des ruinösen Inneren leicht verschmerzen lässt.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:05
von Nergal
Beeindruckender ist da schon der weite Blick über die Extremadura vom Burgberg

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:05
von Nergal
Bevor ich den Rückweg antrete, spende ich der Jungfrau Maria in der kleinen Kapelle ein Dutzend Kerzen als Dank für die freundliche Hilfe beim Aufrichten der Domi.

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:06
von Nergal
Als ich aus der Kapelle ins Freie trete, erinnern mich starke Gewitterböen daran, mich rasch aus dem Staub zu machen. Auf der Heimreise erlebe ich das, was ich in den kommenden Tagen als „tägliche Flucht vor dem Gewitter“ bezeichnen werde. Unterwegs treffen mich mehrere Schauer; sie sind aber nie so stark, dass ich die ungeliebte Regenpelle überstreifen muss. Das blöde Navi führt mich auf Umwegen nach Hause. Es ist, wie ich später bemerke, auf kürzeste Reisezeit eingestellt – und nicht auf kürzeste Strecke. Auf dem Platz werde ich dies ändern. Dort herrscht gerade ein Gewitter, das freilich recht harmlos ausfällt.

Beim abendlichen Telefonat überrascht mich meine Holde mit der irren Botschaft, dass deutsche Reiterverbände die „Entnahme“ ganzer Wolfsrudel fordern. Wenn es nach der Gefährlichkeit ginge, müssten doch wohl zunächst alle Hunde „entnommen“ werden. Und dann alle Kühe, da es ja immer wieder zu tödlichen Attacken auf harmlose Spaziergänger kommt. Wie viele Reitunfälle mit letalem Ausgang gibt es eigentlich? Wäre da am Ende nicht die „Entnahme“ ganzer Reiterverbände angezeigt?

Re: Der alte Wolf will es noch einmal wissen – 8.000 km in die Extremadura

Verfasst: Di 11. Jul 2023, 14:10
von Nergal
Freitag, 2. Juni: Gegen 10 Uhr breche ich nach Trujillo (https://de.wikipedia.org/wiki/Trujillo_(Spanien)). Das kleine Landstädtchen ist der Heimatort des berühmten Konquistadors Francisco Pizarro (https://de.wikipedia.org/wiki/Francisco_Pizarro), der 1533 das Inkareich bezwang. Man kann die heute 9.000 Einwohner besitzende Stadt schon von weitem erkennen. Da sie seit dem 16. Jahrhundert ist es kaum gewachsen ist, vermittelt es dem Besucher einen zutreffenden Eindruck, wie spanische Städte zur Zeit der Renaissance aussahen.